Libellenschwestern by Wingate Lisa

Libellenschwestern by Wingate Lisa

Autor:Wingate, Lisa [Wingate, Lisa]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Belletristik
Herausgeber: Limes Verlag
veröffentlicht: 2018-03-04T23:00:00+00:00


KAPITEL 16

Rill

Raus aus den Federn. Es sieht so aus, als würde heute endlich mal die Sonne scheinen!«, sagt Miss Dodd und schließt die Kellertür auf. Miss Dodd ist ganz neu, sie arbeitet erst seit zwei Tagen hier. Sie ist jünger als die anderen Aufpasserinnen. Und netter. Ich habe mir vorgenommen, sie nach Camellia zu fragen, falls ich sie irgendwann allein erwische. Keiner will mir sagen, was mit meiner Schwester ist. Mrs. Pulnik hat mich nur angeblafft, ich solle den Mund halten und aufhören, den Aufpasserinnen auf die Nerven zu gehen.

Dannyboy behauptet, Camellia sei tot. Er sei irgendwann aufgewacht und hätte Mrs. Murphy zu Mr. Riggs sagen hören, Camellia ist gestorben, nachdem sie sie in den Schrank gesperrt haben, und was sie jetzt machen sollen. Mr. Riggs hätte ihre Leiche dann zum Laster getragen und sei losgefahren, um sie in den Sumpf zu werfen. Er hätte es mit eigenen Augen gesehen. Meine Schwester ist weg, und das ist gut so, sagt er.

Ich glaube ihm kein Wort. Er ist voller Hass auf alles und jeden.

Aber Miss Dodd sagt mir bestimmt die Wahrheit.

Gerade macht sie sich in erster Linie wegen des Gestanks im Raum Sorgen. Es ist überall schimmelig, außerdem wird alles nass, wenn es regnet, und noch dazu macht Fern jede Nacht ins Bett, seit Camellia und Gabion nicht mehr bei uns sind. Ich sage ihr zwar, sie soll das nicht tun, aber offensichtlich schafft sie es nicht.

»Du liebe Güte, was für ein Gestank!« Miss Dodd sieht uns besorgt an. »Das ist doch kein geeigneter Ort für Kinder.«

Ich trete zwischen sie und die Pritsche, wo ich so viele Bettdecken aufgehäuft habe, wie ich nur konnte. »Ich … ich bin gegen die Bettpfanne gestoßen.«

Sie sieht zur Bettpfanne hinüber. Der Zementboden ist trocken. »Ist hier vielleicht ein kleines Malheur passiert?«

Tränen steigen mir in die Augen, und Lark weicht in die Ecke zurück, wobei sie Fern mit sich zieht. Ich packe Miss Dodds Schürze und ziehe zugleich den Kopf ein, in der Erwartung, dass sie mir eine Ohrfeige verpasst. Aber ich muss sie daran hindern, nach oben zu gehen und Mrs. Pulnik zu holen. »Bitte, sagen Sie nichts.«

Miss Dodd sieht mich aus ihren sanften graugrünen Augen an. »Aber warum um alles in der Welt nicht? Wir machen hier einfach sauber, und damit ist der Fall erledigt.«

»Aber Fern bekommt Ärger.« Vermutlich weiß Miss Dodd noch nicht, was mit Kindern passiert, die ins Bett machen.

»Du liebe Zeit, nein.«

»Bitte …« Panik erfasst mich. »Bitte, verraten Sie uns nicht.« Ich darf Fern und Lark nicht auch noch verlieren. Vier Tage sind seit der Party vergangen, ohne dass Gabby zurückgekehrt ist. Ich habe meinen Bruder verloren. Und Camellia. Lark und Fern sind alles, was ich noch habe.

Miss Dodd legt die Hände um mein Gesicht, ganz sanft. »Schh. Nicht weinen. Ich sorge dafür, dass es jemand wegmacht. Keine Angst, mein Häschen. Wir behalten das für uns.«

Meine Tränen fließen unaufhaltsam. So hat mich seit einer halben Ewigkeit niemand mehr berührt. Nicht seit Queenie weg ist.

»Du musst dich beruhigen.« Miss Dodd blickt nervös über ihre Schulter.



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